Wie die Anonymen Azubis Zeit gewannen
Jetzt oder nie: Acht Schülerinnen der 6. und 7. Klasse entschlossen sich in diesem Schuljahr als Anonyme Azubis unter meiner Anleitung die Bühnen der Theaterwelt zu besteigen und ein eigenes Gesellenstück zu inszenieren. Doch die Treppe bis dorthin war lang. Die kann man niemals schaffen. Das dachten sie. Aber! Man darf nie an die ganze Treppe auf einmal denken, immer nur an die nächste Stufe. Atemzug und Schritt und Stehen und Atemzug und Schritt und Stehen und Atemzug und Schritt und… Plötzlich – fast ohne es zu merken – wurde ihr Theaterstück „MOMO“ am 9. Juli mit Hingabe aufgeführt. Stufe für Stufe, Schritt für Schritt.
Sie nahmen sich Zeit, insbesondere während der zweitägigen Intensivproben ihre theatralen Fähigkeiten zu erkennen und ihr Selbstvertrauen wachsen zu lassen. Kurzfristig Zeit nahmen sich auch die bereits erfahrenen Exzentriker Eric Böhme, Veronika Kügler und Saskia Mommertz, die sich während der Proben in vorbildliche Mentoren der Azubis verwandelten, oder Börge Mehlhorn … und Peter Held, die sich ohne Umschweife um die Technik kümmerten.
Seit elf Jahren begleite ich nun die Schülertheatergruppe der Anonymen Exzentriker, sehe das Wachsen winziger, gekrümmter Samen zu farbfroh blühenden Pflanzen mit tiefen Wurzeln. Da ich auch in den vergangenen Jahren zwischen vielen Bildungseinrichtungen umherwanderte, komme ich zum Schluss, dass mir bisher keine andere Schule bekannt ist, wo Schüler mit solcher Freude, innerer Überzeugung und harmonischem Gemeinschaftssinn egal ob in Schülerband, im Chor, in den Theatergruppen oder anderen Schulprojekten von motivierten Lehrern nachhaltig zu einem solchen ästhetisch-künstlerischen Bewusstsein gelangen. Und vor allem Spaß daran haben!
Oder mit anderen Worten:
So wie die Menschen Augen haben, um das Licht zu sehen, und Ohren, um Klänge zu hören, so haben sie ein Herz, um damit die Zeit wahrzunehmen. Und alle Zeit, die mit dem Herzen wahrgenommen wird, ist gewonnene Zeit.
Silvio Wolak (Ehemaliger und Exzentriker)
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